Cisco übernimmt Tandberg, macht Ankündigungen im Bereich Kollaboration, Video
Cisco gibt 9/09 den Abschluss einer Vereinbarung zur Übernahme von Tandberg, Oslo, Norwegen für ca. USD 3 Mrd. in bar bekannt. Der zunächst vereinbarte Übernahmepreis stellte eine Prämie von 11% auf den letzten und 25% auf den gewichteten Börsenkurs der letzten drei Monate dar. Später musste Cisco sein Angebot um 10% erhöhen, um die Übernahme abschließen und mehr als 90% der Anteile erwerben zu können.
Tandbergs Video-Konferenzsysteme und Netzwerkinfrastrukturlösungen sollen in Cisco's
'collaboration architecture' integriert werden, die auch sein Video-Konferenzsystem TelePresence einschließt.
Cisco erwartet eine Interoperabilität zwischen Anwenderunternehmen und zwischen den Lösungen verschiedener Hersteller über Lösungen vom Desktop bis zu hochwertigen Video-Konferenzsystemen wie
TelePresence hinweg. Allerdings wird erwartet, dass Cisco keine anderen, zentralen Steuerungssysteme als seinen
Cisco Call Manager unterstützen wird.
Tandberg hat 1500 Mitarbeiter und wies für 2008 einen Umsatz von USD 809 Mio. aus. Damit erreicht es 40% Marktanteil.
Nach Abschluss der Übernahme wird Tandbergs CEO Fredrik Halvorsen eine neu einzurichtende TelePresence Technology Group leiten und an Marthin De Beer, senior vice president of Cisco's Emerging Technologies Group, berichten. Cisco gibt das Wachstum von TelePresence in den letzten 12 Monaten mit 97% an, ohne Umsatzzahlen zu nennen (die vermutlich vergleichsweise gering sind). Telepresence soll in Cisco's F1Q10 (Oktober) gegenüber dem Vorjahresquartal um mehr als 100% gewachsen sein, obwohl die beabsichtigte Übernahme des Wettbewerbers Tandberg schon angekündigt war.
Die Übernahme des direkten und erfolgreichen Wettbewerbers zeigt eine Richtungsänderung bei Cisco an. Es ist nach ca. 130 Übernahmen Cisco's erste außerhalb der USA.
In 2008 hatte Cisco den TelePresence Bereich in einer einzigen Einheit mit seinen Unified Communication Aktivitäten und seinem Web Conferencing-Dienst
WebEx zusammengefasst. Diese Zusammenlegung sollte die technische Interoperabilität dieser Lösungen bringen, erzeugte aber vor allem Konflikte zwischen den weiterhin sehr unterschiedlichen Marktsegmenten.
Cisco's Ansatz war bisher, Telepresence über die Integrationsdienste von Telekommunikationsdienstleistern wie z.B. BT anzubieten. Dies war mit dem Betrieb eines Dienstes, wie WebEx, nicht verträglich, da dieser mit den Konferenzdiensten der Telekommunikationsdienstleister im Wettbewerb steht.
Demgegenüber hat Tandberg auf den Vertrieb als Produkt an nutzende und selbst betreibende Unternehmen über Vertriebspartner wie Nortel gesetzt. Es ist unbekannt wie groß der Anteil des in der Auflösung befindlichen Nortel am Umsatz von Tandberg war. Nortel hat die Unified Communication und Desktop-basierende Lösung einschließlich der Integration mit z.B. Microsoft bereitgestellt. Nortel hatte auch eine ähnliche Partnerschaft mit Polycom.
Avaya hat die entsprechenden Bereiche von Nortel übernommen und dürfte die Beziehungen zu Tandberg nicht fortsetzen.
Vor dem Hintergrund dieses Ansatzes hat Tandberg sich auch, soweit möglich, an Offenheit und Interoperabilität mit den Produkten anderer Hersteller und Telekommunikationsdiensten ausgerichtet, was Cisco zukünftig zumindest bezogen auf gewisse Aspekte übernehmen dürfte.
In 2007 übernahm Tandberg
Codian, einen Anbieter von Video-Datenstrom-Umwandlern (Codecs), um unterschiedliche Systeme verbinden zu können. Diese Technik ist der in MXE 5600 (s.u.) und auch der überlegen, die Cisco 3/09 zusammen mit seinem kostengünstigen System CTS 1300 als Recording Studio ankündigte. CTS 1300 und Telepresence 500 konnten sich im Markt gegen Wettbewerber wie Tandberg und Polycom nicht durchsetzen.
Anwendern von Tandberg Systemen steht also eine Migration zu Cisco Unified Communication oder einem anderen Anbieter bevor, soweit sie die Technologie von Nortel einsetzen.
Den Anwendern von Cisco TelePresence und Video-Umwandlern dürfte langfristig eine Migration zu einer Weiterentwicklung der Tandberg Video-Konferenzlösung bevorstehen, denn Tandberg wird die Grundlage für die Weiterentwicklung liefern und auch den Vertriebsansatz prägen.
Cisco machte 10/09 eine Ankündigung, die den Bogen von Telepresence, Unified Communications, WebEx bis hin zu den zwei neu adressierten Bereichen Enterprise Social Software und Hosted Email spannte.
Neue Cisco Instant Messaging (IM) Lösungen basierend auf der übernommenen Jabber XMPP Technologie sollen Instant Messaging auch für Kommunikation zwischen Unternehmen öffnen. Auf der Grundlage von Jabber XMPP implementiert Cisco eine sichere Interoperabilitat der IM Systeme innerhalb seines Kollaborationsportfolio und kündigt die Interoperabilität Cisco WebEx Connect Instant Messaging und Cisco Unified Presence 8.0 an.
Cisco Unified Presence 8.0 unterstützt SIP/SIMPLE und XMPP im gleichen Gerät.
Als "Intercompany Cisco TelePresence Directory" werden durch Cisco betriebene Verzeichnisdienste für die Nutzung durch Organisationen und Lokationen mit TelePresence bezeichnet, die die Terminierung von Telepresence Konferenzen zwischen Unternehmen vereinfachen sollen.
Cisco Enterprise Collaboration Platform ist eine neue unternehmens-orientierte Social Software, die Verzeichnisdienste mit Social Networking Fähigkeiten besitzt. Sie erlaubt, Teamumgebungen dynamisch anzulegen. Sie besitzt ein Rahmenwerk zur Integration von Altanwendungen und Web 2.0 Medien. Cisco beschreibt Cisco Enterprise Collaboration Platform als personen-zentrisch (im Gegensatz zu den angeblich dokument-zentrischen Portalen anderer Anbieter) weil es Unified Communication einbettet.
Cisco "Show and Share" ist ein Social Video System, das dynamisch gebildeten Gruppen erlaubt, Videos aufzunehmen, zu verändern und im gemeinsamen Zugriff mit Kommentaren, Verschlagwortung und RSS Quellen zu halten. Die von Sprache in Text umgewandelten Protokolle können mit Suchmaschinen bearbeitet werden.
Cisco Pulse ist eine neue, innovative Form von Suchmaschine, die Informationen dynamisch, während diese auf dem Netzwerk übertragen werden, indexiert, was einen anwendungsübergreifenden Überblick in Echtzeit über die gesamte Organisation geben soll.
Cisco führt den Begriff "MediaNet" ein, das ein für Multimedia optimiertes Netz meint. MediaNet schließt Techniken für Ressourcenreservierung, Dienstqualitätssicherung, Endgeräteidentifizierung und "embedded video processing" ein.
Cisco Intercompany Media Engine ist eine IP Protokollveränderung zur Unterstützung von Multimedia, die Cisco dem IETF für eine Standardisierung vorgeschlagen hat. Cisco Intercompany Media Engine unterstützt mehrere Sicherheitsstufen und baut multimedia-geeignete Verbindungen aufgrund von Erfahrungswerten über das Web auf. Cisco hebt die Öffnung für sichere Kommunikation zwischen Unternehmen über beliebige IP-basierende Netzwerke heraus, die Möglichkeiten für differenzierte Dienste durch Dienstleister bietet.
Cisco führt drei neue Geräte für die Implementierung von "MediaNet" ein, die mit dem gleichfalls neu eingeführten Cisco Integrated Services Routers Generation 2 zusammenarbeiten (s. o.). Cisco Media Experience Engine 3500 und Cisco Media Experience Engine 5600 unterstützen Video-Formatumwandlung in Echtzeit. MXE 5600 unterstützt die Interoperabilität von Cisco TelePresence mit den Geräten anderer Anbieter durch die Umsetzung der Video-Formate in Echtzeit.
Cisco TelePresence WebEx Engage ist eine einfache Lösung für den Aufbau und die Terminierung einer Video-Konferenz zwischen Cisco TelePresence und Cisco WebEx.
Cisco WebEx Mail ist ein im Unternehmen einsetzbares Email-System, das von Cisco betrieben wird und den Anschluss von Microsoft Outlook, mobilen Endgeräten und den Zugang über AJAX Web 2.0 unterstützt. Es basiert auf Technologie, die mit PostPath übernommen wurde und soll z.B. keine der traditionellen Grenzen in der Größe der Email-Boxen besitzen.
Cisco Unified Communications System 8.0 erweitert die Unterstützung auf eine Vielzahl neuer Video- und WLAN-unterstützender Cisco Unified IP Phones und auf weitere Smartphones, wie iPhone und BlackBerry (Nokia war schon zuvor auch über WLAN unterstützt), mittels der Client-Komponente Cisco Unified Mobile Communicator.
Die neuen Cisco Unified IP Phone 9900 und 8900 Series unterstützen Videokonferenzen und den Anschluss über WLAN, USB und Bluetooth, wobei sie neben der an niedrigen Kosten orientierten 6900 Series stehen.
Cisco Unified Client Services Framework erlaubt die Implementierung der Integration von Cisco Unified Communications Diensten (z.B. softphone, voicemail und high-definition desktop video) mit eine Vielzahl von Client-Komponenten wie Cisco Unified Personal Communicator, Cisco WebEx Connect und Microsoft Office Communicator.
Cisco Unified Communications Manager Session Management Edition stellt Dienste für die Integration von Alt-Telefonsystemen über SIP Aggregation zur Verfügung.
Die Server-basierenden Anwendungen aus Cisco Unified Communications System 8.0 werden auf Cisco Unified Computing System unterstützt, d.h. sie können unter der dort implementierten Virtualisierung ausgeführt werden.
Das neue Cisco Unified Communications Large Enterprise System ist für Umgebungen mit mehr als 30.000 Benutzern positioniert und umfasst integrierte Werkzeuge für das Anlegen von Benutzern und Administration. Es ist mit Alt-Telefonsystemen interoperabel.
Cisco Unified Personal Communicator 8.0 ist eine desktop-basierende Client-Komponente, die Zugang zu multimedialen Diensten (softphone, presence, enterprise instant messaging, visual voicemail, directory access, communications history, desk phone control and video and Web conferencing) gibt.
Cisco Unified Customer Voice Portal (CVP) stellt Video-Dienste für automatische Antwortmaschinen (IVR, interactive voice response system) im Rahmen von Call Centers zur Verfügung.
Cisco folgt den herrschenden Trends und stellt sein breites Portfolio in einen einzigen Rahmen. Es spricht auch davon, die verschiedenen Dienste für den Betrieb durch den Anwender, einen Dienstleister oder Kombinationen daraus anzubieten.
Die Realität ist jedoch, dass die Interoperabilität der verschiedenen Produktlinien noch sehr zu wünschen übrig lässt. Es rächt sich, dass Cisco auch weiterhin stets versucht, proprietäre Erweiterungen zu implementieren, die häufig nicht nur bei der Integration des eigenen Portfolios Schwierigkeiten machen.
Cisco's Ankündigung kann als ein großes Plädoyer für die Unterstützung von Offenheit und Standards in diesem Umfeld angesehen werden, denn sie spiegelt die vielfältigen Anforderungen an die Interoperabilität wider. Kein Anbieter wird dieses gesamte Gebiet aus einer Hand integriert anbieten können. Deshalb wäre die Interoperabilität mit den Lösungen der anderen Anbieter von entscheidender Bedeutung, hier gibt es aber keine Fortschritte zu vermelden.
Cisco steht im Markt gegen Microsoft Office Communication Server, das schrittweise mit Sharepoint und Office als auch Online-Diensten zusammengeführt wird.
Polycom und Hewlett-Packard erweitern Zusammenarbeit bei TelepresencePolycom, Inc., Anbieter von Lösungen für Telepresence, Video- und Sprachkommunikation, kündigt 3/10 die Erweiterung der bestehenden, weltweit gültigen Vereinbarung an, die vorsieht, dass Polycom's vollständiges Portfolio von Sprach- und Video-Technologien einschließlich zukünftiger, gemeinsamer Entwicklungen durch HP vertrieben wird. Dies schließt gemeinsame Vertriebsaktivitäten ein.
Als Teil der nun erweiterten, schon zuvor bestehenden Vereinbarung wird HP Polycom Video- und Sprachkommunikationslösungen, einsetzbar als Teil von Unified Communications oder separat betrieben, als Teil seines "Unified Communications and Collaboration Services" Portfolios (als Wiederverkäufer) anbieten und implementieren.
Anwender sollen bei der Planung, Implementierung und Unterstützung von Kommunikationssystemen, die hohe Qualität bereitstellen, durch die globale Präsenz von HP Nutzen ziehen können.
Die Unternehmen werden auch eine Interoperabilität zwischen den, laut den Anbietern, standard-basierenden Telepresence und Video-Conferencing Lösungen von Polycom und HP Halo Telepresence zur Verfügung stellen.
In der Pressemitteilung heißt es ausdrücklich, dass die Zusammenarbeit die Partnerschaften der beiden Unternehmen mit Avaya (nach Übernahme von Nortels Aktivitäten in diesem Bereich Lieferant der Technologie für die Integration von Polycoms Produkten mit der Microsoft Office Umgebung) und Microsoft (OCS, s. Bulletin Nr.121 S.98) nicht beeinträchtigen soll. HP hat bisher neben MS OCS auch Avaya vertrieben, was durch die Übernahme von 3Com in Frage gestellt sein könnte (s.u.).
Insbesondere schließt die Zusammenarbeit Polycom's integrierte Video- und Sprachkommunikationslösungen für Avaya und Microsoft Unified Communications Lösungen ein, einschließlich eines erweiterten Portfolios von Telefonen und der gleichzeitig angekündigten Polycom VoIP Telefone für die Microsoft Communications Server "14" Plattform.
Auf HPs Seite ist Mark Golden, Vice President, Network Services, HP, zuständig, also nicht der für Halo zuständige Bereich Procurve, sondern der Dienstleistungsbereich HP Services, der als Integrator auftritt.
Polycom ist der direkte Wettbewerber von Tandberg und galt seit der Übernahme von Tandberg als ein weiterer Übernahmekandidat. Die Zusammenarbeit mit HP dürfte klar machen, dass Polycom nicht zum Verkauf steht.
Dies gilt, obwohl es, wie Tandberg, die Technologie zur Integration mit der Microsoft-Umgebung von Nortel lizenzierte. Nortel war auch Vertriebspartner für Polycom, ähnlich wie für Tandberg. Der entsprechende Teil von Nortel ist inzwischen von Avaya übernommen worden. So kommt es, dass plötzlich Avaya mit seinen Unified Communication Produkten erwähnt und in der Zusammenarbeit berücksichtigt wird. Dies dürfte klar machen, dass Avaya die Beziehung zu Polycom fortführt, aber die vergleichbare zu Tandberg dürfte in Frage stehen. HP Services hat in der Vergangenheit die Unified Communication Produkte von Avaya angeboten und wird dies auch zukünftig tun.
Die Zusammenarbeit von HP Services mit Polycom steht im Konflikt mit der Zusammenarbeit von HPs ProCurve Einheit mit Microsoft bezüglich Office Communication Server und dessen Integration mit Halo. Microsoft scheint, diesen Konflikt zu tolerieren. Möglicherweise hat Microsoft im Gegenzug sich Zusagen im Rahmen der geplanten Übernahme von 3Com durch HP geben lassen.
3Com besitzt ein eigenes, umfangreiches Unified Communication Portfolio, das sich nicht nur mit dem von Microsoft, sondern auch mit dem von Polycom überlappt. 3Com wird mit dem ProCurve Bereich verschmolzen werden und muss daher nicht unbedingt einen Konflikt mit den Aktivitäten von HP Services auslösen.
HP Services beendet seine Partnerschaft mit Tandberg, das von Cisco übernommen wurde und mit dessen Telepresence-Lösung verschmolzen wird. HP setzt nur die Zusammenarbeit mit Polycom fort, wobei eine technische Integration mit HPs Telepresence-Lösung
Halo implementiert werden soll. Halo wurde während 2009 dem Netzwerk-Bereich ProCurve bzw. ESS zugeordnet.
Polycom hatte traditionell Partnerschaften mit Cisco und Juniper im Bereich Netzwerkausrüstungen. In der Pressemitteilung wird nicht davon gesprochen, dass HP ProCurve die Produkte von Cisco in Polycom's Angebotspalette ersetzt. Dies könnte aus Rücksicht auf den Polycom-Partner Juniper weggelassen worden sein.
Für Polycom ist eine engere Vertriebspartnerschaft mit HP nicht unproblematisch, da andere Vertriebspartner stärkeren Wettbewerb befürchten müssen. Polycoms Telepresence-Angebote überlappen sich mit denen von Halo.
Weitere Anbieter im Bereich hochwertiger Video-Konferenzlösungen neben Cisco Telepresence und HP Halo sind
LifeSize und
Sony.
HP führte mit "Skyroom" im 4Q09 eine neue, einfache Video-Conferencing Lösung ein, die Desktops und Notebooks unterstützt und am besten mit Skype zu vergleichen ist.
Am unteren Leistungsende des Conferencing-Segments verkaufte eBay 10/09 65% seines Skype Dienstes an eine Gruppe von Investoren für USD 1,9 Mrd. Im Jahre 2005 übernahm eBay Skype und zahlte in den folgenden Jahren insgesamt USD 3,1 Mrd. eBay konnte das Potenzial von eBay weder innerhalb seiner Handelsumgebung noch anderweitig voll ausschöpfen und korrigiert den Fehler der Übernahme. Der Umsatz von Skype wird für 2008 mit USD 550 Mio. angegeben.